Thomas Meyhöfer, 8.2.2000

Rätsel der Dunkelgräfin ist lösbar

Das Rätsel um die Identität der Dunkelgräfin ist seit nahezu 200 Jahren ungelöst. Immer wieder wurden Romane geschrieben, historische Forschungsarbeiten verfaßt und Theorien entwickelt, ohne daß das Geheimnis endgültig gelüftet werden konnte. Auch für die derzeit wahrscheinlichste Theorie, daß die Dunkelgräfin Madame Royale, Marie Thérèse Charlotte von Frankreich, Tochter Ludwigs XVI. und Marie Antoinettes, gewesen sei, sprechen nur Indizien - ein eindeutiger Beweis fehlt.

DNS als Beweismittel

Dieser Beweis könnte nun erbracht werden. Während man sich bislang ausschließlich auf historische Quellen stützen konnte, steht heute mit der modernen Medizin ein sicheres Beweismittel zur Verfügung: der Genvergleich. Mit Hilfe der DNS, der Desoxyribonukleinsäure, die alle genetischen Informationen eines Lebewesens enthält, läßt sich zuverlässig eine Verwandtschaft von Personen nachweisen. Was man dazu braucht, sind organische Zellen oder Gewebeteile der betreffenden Personen, in denen die DNS vorliegt; also zum Beispiel einen Knochen oder Zahn. Selbst ein Haar würde ausreichen, um einen Vergleich durchführen zu können.

Der Fall Kasper Hauser

Die Möglichkeit von Genvergleichen wurde in den vergangenen Jahren bereits mehrfach zur Klärung historischer Sachverhalte eingesetzt. So wurde 1996 - zum Großteil finanziert vom Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" - versucht, die wahre Identität von Kaspar Hauser, dem Findelkind von Nürnberg, zu enthüllen. Beim Vergleich der DNS von Hauser, die aus seiner hinterlassenen Bekleidung extrahiert werden konnte, mit der DNS einer Nachfahrin des badischen Herzoghauses, konnte keine Übereinstimmung festgestellt werden. Damit wurde die bis dahin vertretene Theorie, daß Hauser ein vertauschter Erbprinz des badischen Adelshauses gewesen sei, widerlegt (vgl. Titelgeschichte in "Der Spiegel", Heft 48/1996).

Der Fall Ludwig XVII.

Die neueste historische Genuntersuchung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Dunkelgräfin. In Frankreich, Belgien und Deutschland versucht man zur Zeit zu klären, ob es dem Bruder der Madame Royale, dem Dauphin Ludwig XVII., in den Wirren der Französischen Revolution tatsächlich gelungen ist, aus der Gefangenschaft des Pariser Temple zu fliehen, oder ob er - wie offiziell in den Geschichtsbüchern steht - dort an Tuberkulose gestorben ist (vgl. "Der Spiegel", Heft 4/2000). Auch hier dient ein Genvergleich der Beweisführung. Die DNS aus dem Herzen des vermutlichen Dauphins, das bei seinem Tod 1795 entnommen wurde und bis heute erhalten geblieben ist, wird mit der DNS aus noch existierendem Haar der Königin Marie Antoinette verglichen. Auf das Ergebnis wird man gespannt sein dürfen, es wird in den nächsten Wochen erwartet.

Und die Dunkelgräfin?

Was liegt näher, als das Rätsel von Hildburghausen auf die gleiche Weise zu lösen? Mit Hilfe eines Genvergleichs könnte festgestellt werden, ob die Dunkelgräfin tatsächlich die Madame Royale war. Man benötigte dazu eine Gewebeprobe der Dunkelgräfin und eine Probe ihrer mutmaßlichen Mutter Marie Antoinette. Letztere liegt in Form von Haaren vor. Schwierigkeiten hingegen würde die Gewebeprobe der Dunkelgräfin bereiten. Denn eine solche dürfte sich nur noch in ihrem Grab am Schulersberg in Hildburghausen finden lassen.

Will man das Geheimnis lüften, wird man demnach um eine Exhumierung der Dunkelgräfin und Sicherstellung noch vorhandener Spuren nicht herumkommen. Das Grab der Toten zu öffnen, mag aus moralischer Sicht problematisch sein, aber die historische Bedeutung des Sachverhalts dürfte ein solches Vorgehen rechtfertigen.

Es liegt jetzt vor allem in der Hand der Stadt Hildburghausen, sich dieser Sache anzunehmen und den Schleier der Dunkelgräfin zu heben. Den Schlüssel für das so lange verschlossene Geheimnis hält sie nun endlich in der Hand. Es ist an der Zeit ihn zu benutzen!

Autor:
Thomas Meyhöfer
Forstweg 22
98646 Hildburghausen

Der Beitrag wurde am 16.2.2000 in der "Südthüringer Rundschau" veröffentlicht.

© Interessenkreis Dunkelgräfin