Literaturdatenbank 

Detailbeschreibung



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historische
Forschung
Philipps, Carolin (2012):
Die Dunkelgräfin. Das Geheimnis um die Tochter Marie Antoinettes.
Piper Verlag - München

Inhalt
Im März 2012 ist im Piper Verlag ein Buch unter dem Titel "Die Dunkelgräfin. Das Geheimnis um die Tochter Marie Antoinettes" erschienen. Es handelt sich um eine umfassende Darstellung des Themas, in der die Autorin Carolin Philipps auf Grundlage von zweijährigen Recherchen in verschiedenen Archiven Europas weitere Indizien für die Vertauschungstheorie um Madame Royale aufzeigt.

Während sich der erste Teil des 400-seitigen Buches mit der offiziellen Biografie der französischen Prinzessin beschäftigt, wird in einem zweiten Teil das inoffizielle und – nach Ansicht der Autorin – wahre Geschehen um Madame Royale dargestellt. Dabei kann sie auf zahlreiche Aspekte verweisen, die für die Annahme sprechen, dass es sich bei der Dunkelgräfin von Hildburghausen um die Tochter von Ludwig XVI. und Marie Antoinette von Frankreich gehandelt hat und die Herzogin von Angoulême eine untergeschobene Person war.

Abweichend von der geläufigen Argumentation geht Carolin Philipps davon aus, dass nicht die Bourbonen um Ludwig XVIII. Urheber der angenommenen Personenvertauschung waren, sondern Vertreter der französischen Republik. Diese Annahme hatten bereits andere Autoren vertreten, etwa Paule Marie Sare Anfang der 1950er Jahre, aber noch nie wurde sie so konsequent durchdacht.
Barras, Bénézech, Barthélemy und Bacher sollen befürchtet haben, dass die für Dezember 1795 geplante Übergabe der Prinzessin an ihre Familienangehörigen in Österreich dazu führen könnte, dass der Wiener Hof die Prinzessin mit einem Erzherzog verheiratet und somit Ansprüche auf den französischen Thron oder zumindest Ländereien erhebt. Um eine solche für die französische Republik nachteilige Situation zu vermeiden, soll Madame Royale während ihrer Reise nach Österreich durch eine andere Person ersetzt worden sein. Hätte Österreich Ansprüche erhoben, hätte man auf die Unechtheit der Prinzessin verweisen können.

Die Annahme einer Personenvertauschung untermauert die Autorin vor allem mit Dokumenten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien. Der vom österreichischen Geheimdienst überwachte Schriftverkehr von Madame de Soucy und dem Kammerdiener Hue, die Madame Royale auf der Reise von Paris bis nach Wien begleiteten, deutet ebenso wie Briefe der Königin Maria Karolina von Neapel an die österreichische Kaiserin darauf hin, dass im Januar 1796 nicht die echte Königstochter in Wien ankam.

Im Nationalarchiv von Paris fanden sich weitere Indizien. Madame de Soucy fertigte auf der Reise ein Tagebuch an, das Hinweise enthält, die man im Sinne der Vertauschungstheorie deuten könnte. Auszüge daraus finden sich im Schriftverkehr von Madame de Soucy und Dr. Lavergne, der in rund 80 Briefen im Nationalarchiv vorliegt und den Philipps – wie bereits andere Autoren vor ihr – ausgewertet hat. Mit diesem Wissen hatten Soucy und Lavergne in den 1830er Jahren die ausgetauschte Prinzessin (ab 1799 Herzogin von Angoulême) um mehrere Millionen Francs erpresst.

Zur Frage, wie die ausgetauschte Madame Royale in die Obhut von Leonardus Cornelius van der Valck, dem späteren Dunkelgrafen, kam, liefert Philipps weitreichende, nicht ganz einfach nachvollziehbare Argumentationsketten. So seien die Urheber der Vertauschung Freimaurer gewesen und hätten über freimaurerische Netzwerke die Prinzessin zunächst in der Schweiz, dann in Straßburg und ab 1799 schließlich bei van der Valck untergebracht, der ebenfalls Freimaurer war.

Die Arbeit verliert an einigen Stellen durch oberflächliche, teils weitreichende Fehler an Glaubwürdigkeit. So wird auf Seite 346 behauptet, der Hildburghäuser Hof habe das Schloss Eishausen gezielt als Unterkunft für das Paar erworben. Tatsächlich erfolgte der Kauf jedoch schon am 18. Oktober 1802, also mehrere Jahre bevor das seltsame Paar 1807 nach Hildburghausen kam. Hinsichtlich von Leonardus Cornelius van der Valck, einer der Hauptpersonen des Geschehens, wird ein Studium in Bonn und Göttingen postuliert. Wie aus den Matrikeln der Universität Göttingen zweifelsfrei hervorgeht, studierte er jedoch nicht in Bonn, sondern in Köln. Auf Seite 313 wird gar ein falsches Todesjahr für van der Valck angegeben. Demnach soll er 1851 gestorben sein. Auf Seite 351 wird hingegen vermerkt, dass er 1847 verstarb. Beide Angaben sind falsch, denn sein Tod ist für den 8. April 1845 dokumentarisch belegt.

Zu hinterfragen ist ferner, warum sich die Autorin in ihrer Argumentation hinsichtlich des Aufenthalts Madame Royales in Straßburg auf die Memoiren der Diana von Pappenheim stützt, ohne an Ort und Stelle darauf hinzuweisen, dass die Echtheit dieser Aufzeichnungen bei Historikern umstritten ist. Bereits wenige Monate nach deren Veröffentlichung durch Richard Kühn im Jahr 1932 sind sie von Dr. Philipp Losch in seinem Beitrag "Dichtung und Wahrheit in den ‚Memoiren um die Titanen’" als unglaubwürdig, wenn nicht gar als glatte Fälschung eingestuft worden. Auch Peter Wieden, den Philipps selbst zitiert, legt in seiner Arbeit "Die Geliebte des Königs. Diana von Pappenheim am westphälischen Hof" aus dem Jahr 2006 dar: "Diese von Kühn herausgegebenen Tagebücher und Briefe sind Fälschungen. Sie wollen von dem kommerziellen Erfolg des zuvor erschienenen Bandes von Lily Braun ‚Im Schatten der Titanen’ profitieren, sind aber reine Fiktion. […] Leider greifen viele spätere Veröffentlichungen auf die gefälschten Tagebücher der Diana von Pappenheim und der Jenny von Gustedt zurück."

In besonderem Maße diskussionswürdig dürfte auch die Argumentation hinsichtlich der angenommenen Ersatzperson Ernestine Lambriquet sein. Bei dieser soll es sich um eine Halbschwester Madame Royales handeln, welche im Dezember 1795 die offizielle Rolle der Prinzessin übernahm. Französische Forscher hatten bereits in den 1970er Jahren nachgewiesen, dass Ernestine Lambriquet 1810 in Frankreich geheiratet hat und 1813 verstarb. Sie kann folglich nicht die 1814 aus dem Exil zurückgekehrte Herzogin von Angoulême gewesen sein. Auch die Annahme, dass ihre Schwester Louise Catherine den Namen Ernestines übernahm, 1810 an deren Stelle heiratete und 1813 starb, dürfte längst als widerlegt gelten. Vor etwa 10 Jahren hatten sich französische Historiker nochmals eingehend mit der Familiengeschichte der Lambriquets beschäftigt und nachweisen können, dass Louise Catherine bereits im Alter von zwei Jahren gestorben war und nicht den Namen ihrer Schwester annehmen konnte. Zwar wendet Philipps zurecht ein, dass in dem betreffenden Sterberegister der Gemeinde Notre-Dame in Versailles statt "Louise Catherine" der Name "Louise Philippine" verzeichnet ist, jedoch ergibt sich aus dem Alter des Mädchens (zwei Jahre) und dem angegebenen Sterbedatum (6. Juni 1778), dass es sich nur um Louise Catherine (geboren am 22. April 1776) handeln kann (vgl. Jacques Hamann "La Généalogie des ‚Lambriquet’. Preuves Nouvelles" in "Les Cahiers LOUIS XVII - N°27"). Unter dieser Voraussetzung scheidet Ernestine Lambriquet für den Rollentausch aus. Mit der Existenz einer geeigneten Ersatzperson für Madame Royale steht und fällt jedoch die gesamte Vertauschungstheorie.

In der Gesamtschau liefert Carolin Philipps mit ihrem Buch einen wertvollen Beitrag zum Thema und bringt neue Aspekte in die Forschung ein. Viele der Indizien und Interpretationen mögen durchaus plausibel erscheinen. Ein abschließender Beweis für die Annahme einer Identität der Dunkelgräfin mit Madame Royale fehlt jedoch weiterhin.

Verlagstext
Seit fast zwei Jahrhunderten erregt die "Dunkelgräfin" das Interesse der Forscher. Wer war die geheimnisvolle Frau, die in einer eleganten Reisekutsche im Jahre 1807 im thüringischen Hildburghausen eintraf? Schon lange wird vermutet, dass es sich dabei um Marie Thérèse Charlotte de Bourbon, die Tochter Marie Antoinettes und Louis XVI., gehandelt haben könnte. Bei ihrer Auslieferung nach Österreich soll sie vertauscht worden sein. Wer aber war dann die andere Frau, die an ihrer Stelle später sogar für kurze Zeit Königin von Frankreich wurde? Carolin Philipps beleuchtet den spannenden Kriminalfall neu – mit überraschenden Erkenntnissen. Am Ende ist klar, wer die echte Königstochter gewesen sein muss.

© Interessenkreis Dunkelgräfin